Der lange Weg zum Closed Loop Diabetes-System
Nach der Diabetes Typ 1 Erstmanifestation bei unserer damals 6-jährigen Tochter im April 2015 hat sich für uns - wie wohl für alle Betroffenen - sehr viel verändert. Darauf will ich aber im Detail nicht eingehen, denn jeder wird hier seine Geschichte zu erzählen haben.
Ein Satz unseres Diabetologen an der Universitäts-Kinderklinik in Erlangen hat sich mir aber eingeprägt:
Früher musste man sein Leben dem Diabetes anpassen. Heute passt man den Diabetes an sein Leben an.
Genau in diesem Sinne versuchen wir seither, die Diabetestherapie unserer Tochter unserem Familienleben und den Interessen unserer Tochter anzupassen. Zwei Dinge stehen dabei im Vordergrund:
Eine technische Entwicklung, von der wir uns in dieser Hinsicht viel versprechen, sind Closed Loop Systeme, denn sie vermindern nicht nur das Risiko von Hypoglykämien, sondern - bei echten Closed Loops - auch die Zeiträume mit zu hohen Zuckerwerten. Da sich die Verfügbarkeit dieser Systeme in Deutschland aus verschiedenen Gründen länger hinzieht als erhofft,
So entstand die Idee zu diesen Internetseiten. Wir wollen hier unsere Erfahrungen auf der Suche nach Closed Loop Systemen an andere betroffene Diabetiker und deren Familien weitergeben.
Es gibt einen Punkt, der uns jetzt - nach 3 Monaten erfolgreicher Looperei - sehr bewusst geworden ist und den wir hier gerne auch weitergeben wollen.
Es ist eine falsche Hoffnung, dass der Diabetes mit einem (Hybrid) Closed Loop System zum Selbstläufer wird. Ganz im Gegenteil, man muss sich weiterhin genauso intensiv mit seinem Diabetes auseinandersetzen wie vorher - nur eben anders.
Das gilt vor allem für den Tag. Ein Beispiel: Der Blutzucker sinkt gerade langsam ab und ist schon knapp über der unteren Alarmgrenze (z.B. bei 75). Loop hat die Basalrate bereits vorausschauend auf 0 gesetzt. Da der BZ aber nur langsam sinkt, entschließt man sich, "mittelschnelle" Kohlenhydrate - z.B. ein Brot - zu essen. Da die Blutzuckerprognose Werte unterhalb des Schwellwertes voraussagt, erlaubt einem Loop nicht, sofort Insulin zu geben (das ist ein gewollter Sicherheitsmechanismus!). Das bedeutet, dass in den nächsten 10-20 Minuten häufiger der Blick auf die BZ-Prognose fallen muss, denn sobald die Prognose nicht mehr unter dem Schwellwert liegt, kann und sollte man den Bolus geben. Dies kann beim Familienabendessen, Schultaschepacken, der angeregten Unterhaltung etc. leicht vergessen gehen. Die Konsequenz sind ein rapider Anstieg, hohe Werte und ein langwieriges und mühsames Herunterkorrigieren.
Ein zweites Beispiel: Loop erkennt in der Regel sehr gut eine drohende Hypo (errechnet aus den aktiven Kohlenhydraten und dem noch wirksamen Insulin) und regelt dann frühzeitig die Basalrate herunter. Würde man nun die gleiche Menge an schnellen Kohlenhydraten zu sich nehmen wie aus "alten Zeiten" gewohnt, würde der Blutzucker aufgrund der geringeren wirksamen Insulinmenge schnell und (zu) stark ansteigen. Schnelle Kohlenhydrate sollten daher tendenziell später und in geringerer Menge genommen werden.
Anders nachts: Hier wirken keine Kohlenhydrate (außer man hat jetzt eine Riesenpizza verschlungen, dann wirken die FPEs - aber das ist ein anderes Kapitel) und Loop kommt in der Regel sehr gut mit den kleinen BZ-Schwankungen klar und gleicht diese über die temporäre Basalrate aus. Seit wir loopen, schlafen wir ca. 5 von 7 Nächte ungestört durch - wenn der Essensbolus stimmt :-) - obwohl keine Nacht wie die andere ist, schaut man sich im Detail den Basalratenverlauf seines Hybrid Closed Loops an. Dies wurde auch am letzten T1Day in Berlin anhand von Beispielen anderer Looper gezeigt.
Unser Zwischenfazit: Ein Closed Loop nimmt einem nicht das Denken ab, aber er hilft, die Time-in-Range signifikant zu steigern und damit den HbA1c langsam, aber nachhaltig zu senken - und das nicht erkauft durch viele Hypos, ganz im Gegenteil: Unser Diabeteswarnhund ist, seit wir loopen, so gut wie arbeitslos...
Was Closed Loop Systeme in der Diabetologie sind, wurde bereits an vielen Stellen ausführlich beschrieben - einfach bei Dr. Google nachforschen. Daher will ich mich hier nur auf das Wesentliche beschränken - auch im Sinne einer Begriffsklärung.
Auf was wollen wir denn nicht warten?
Das Motto #WeAreNotWaiting wurde bereits 2013 während eines Treffens der Diabetes-Community an der Stanford Universität kreiert. Die Teilnehmer formulierten dabei folgende beeindruckende Liste an Dingen, auf die sie nicht warten wollen. Dem können wir uneingeschränkt zustimmen!